In Sudan tobt seit April 2023 ein Bürgerkrieg. Es ist der dritte Bürgerkrieg seit der Unabhängigkeit von Großbritannien, 1956. Das heißt, es kämpfen Sudanesen gegen Sudanesen. Aber das ist nicht alles. Es ist auch ein Stellvertreterkrieg, in dem verschiedene Regionalmächte die jeweiligen Seiten unterstützen und Söldner zum Einsatz kommen. Leidtragend ist vor allem die Zivilbevölkerung.

Al Fashir
Die RSF Miliz hat Ende Oktober 2025 die Stadt Al Fashir im Westen Sudans in der Region Darfur erobert. Im Zuge dessen kam es zu Massakern an Zivilisten. Bis zu 2.000 Getötete werden gemeldet. Es ist ein unfassbares Massaker in einem ohnehin schon grausamen Krieg. Ein Massaker, das unsere Augen auf Sudan richten lässt. Und deutlich macht: Die Miliz RSF begeht schwerste Menschenrechtsverletzungen. Nicht unkontrolliert, sondern mit System. Videos der RSF-Warlords gingen um die Welt und zeigten Hinrichtungen von wehrlosen Zivilisten.
Sudan ist jetzt bereits der Inbegriff einer humanitären Katastrophe
Rund 10 Millionen Menschen wurden laut UN vertrieben. 25 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Über 150.000 Menschen wurden getötet. Die Dunkelziffer ist weitaus höher und kann aufgrund des Chaos nur schwer erörtert werden. Humanitäre Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass hunderttausende Kinder von akuter Hungersnot betroffen sind und dass ein signifikanter Teil bereits an Hunger gestorben ist.
Schatten der Vergangenheit
2019 wurde die 26 Jahre lang anhaltende Diktatur von Omar Al Bashir beendet. Zuvor gab es landesweite Proteste gegen die Regierung. Die Bevölkerung litt unter einer schwachen Wirtschaft, Armut, Korruption, Gewalt und Perspektivlosigkeit. Al Bashirs Herrschaft endete mit einem Putsch des sudanesischen Militärs. Es sollte eine schrittweise Demokratisierung folgen und die Macht sollte in zivile Institutionen übergehen. Doch der Wandel ließ auf sich warten. Es zeigte sich immer deutlicher, dass es nur zwei Machtfaktoren im Land gibt: Die Armee und die Rapid Support Forces. Die Zivilbevölkerung blieb lange außen vor. Die Armee teilt sich die Verwaltung des von ihr kontrollierten Teil Sudans mittlerweile mit zivilen Akteuren, hat aber immer noch das Sagen.
Genozid in Darfur
Um die aktuelle Situation im Sudan zu verstehen, muss man zurück zum Genozid in Darfur, einem westlichen Teil Sudans 2003 bis 2005.

Die sudanesische Regierung unter Al Bashir schlug Aufstände in der Region nieder, nachdem die Bevölkerung dort der Regierung vorwarf, die Region, in der nichtarabsiche Minderheiten die Mehrheit stellen, systematisch zu vernachlässigen. Die Rapid Suppot Forces (RSF) sind ein Überbleibsel dieses Genozids. Die Miliz entstand aus den sogenannten Janjaweed Milizen, mit denen die Regierung Proteste brutal niederschlug. 300.000 Zivilisten wurden getötet. Dabei ging es nicht nur um Kontrolle, sondern auch um Vormachtstellung der arabischen Stämme über die Minderheiten Fur, Masalit und Zaghawa. Wie bei Genoziden üblich war Rassismus eine Rolle, die von der RSF auch in den heutigen Konflikt mitgenommen wurde. Der Sudan ist mehrheitlich arabisch, aber vor allem im Westen Sudans leben auch muslimische Minderheiten, die nicht arabisch sprechen oder starke eigene Dialekte haben.
RSF (Rapid Support Forces)
RSF entstand offiziell 2013, als die Janjaweed Milizen einen professionelleren Anstrich suchten. RSF war zunächst im Militär eingegliedert und kam im zweiten sudanesischen Bürgerkrieg zum Einsatz, als erneut Aufstände in Darfur niedergeschlagen wurden und sich Südsudan von Sudan trennte.
So wirklich mächtig wurde RSF aber erst dann, als die Truppe 2017 als Söldner im Jemen eingesetzt wurden. Die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) rekrutierten RSF, um gegen die Houthi-Milizen im Jemen kämpfen zu lassen. Nach der Entmachtung Al Bashirs zählte für RSF nur eines: Machterhalt und weiterhin unantastbar bleiben. Auch weil die neue sudanesische Regierung (das Militär) sich darauf einigte, Al Bashir für seine Verbrechen (u.a. in Darfur) an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern. Statt auf ihre Entmachtung zu warten, griff RSF zu den Waffen und brachte Teile Sudans unter seine Kontrolle. Damit begann der Bürgerkrieg. Angeführt wird RSF von Mohamed Hamdan Dagalo. Er wird aber nur Hemedti genannt.
SAF (Sudanische Streitkräfte)
Die Sudanesische Armee hat Omar Al Bashir zwar von der Macht beseitigt, aber auch sie war ein elementarer Teil seines Regimes. Nachdem die Armee nach 2019 die Kontrolle über Sudan behielt, wuchs die Kritik an ihr. Der Anführer der Armee, General Abdel Fattah al-Burhan ist de facto auch das Staatsoberhaupt Sudans.
Für die SAF ist wichtig, die Kontrolle im Sudan nicht an die RSF zu verlieren. Zunächst setzte die Armee auf eine langfristige Integration der RSF in die Staatsstrukturen. Heute geht es darum, die territoriale Integrität Sudans wiederherzustellen und RSF zurückzuschlagen.
Ein Kampf zwischen Gut und Böse?
Laut unabhängigen Beobachtern wie der UN oder Amnesty International begeht RSF massive Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es steht außer Frage, dass die RSF gestoppt werden muss. Die RSF unter Hemetdi beutet laut UN-Dokumenten und investigativen Recherchen systematisch die Bodenschätze Sudans aus. So kontrolliert die RSF-Miliz etwa Goldminen im Sudan und wäscht das erbeutete Vermögen in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Ist die Armee also die gute Seite? Die sudanesische Armee repräsentiert den sudaneischen Staat. Die RSF ist eher als kriminelle Vereinigung zu verstehen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch gegenüber der Armee/dem Staat nachvollziehbare Vorwürfe gibt. Korruption, Machtgier und Rechtlosigkeit. Beim Fall von Al Fashir wurde unter anderem auch kritisiert, dass die Armee die Zivilbevölkerung schutzlos zurückließ. Der entscheidende Unterschied ist aber: Sudans Armee und Staat wollen sich internationalen Insitutionen, wie etwa der UN oder dem Internationalen Strafgerichtshof unterordnen bzw. sich eingliedern, die RSF hingegen ist unkontrollierbar.
Wer unterstützt wen?
Die RSF wird laut übereinstimmenden Berichten von den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) 🇦🇪 unterstützt. Die UAE weisen den Vorwurf von sich. Der Staat Sudan reichte Klage beim Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen die Emirate ein. Das Gericht wies die Klage aufgrund von Formalitäten zurück. Die Vorwürfe sind, dass UAE die Miliz RSF mit Waffen und Geld versorgt. Im Gegenzug biete RSF Zugänge zu den Bodenschätzen Sudans und bringe erbeutetes Gold nach Dubai. Auch das Nachbarland Tschad 🇹🇩 soll mit RSF kooperieren und ein wichtiger Zugang zu Waffen sein. Außerdem gibt es weitreichende Unterstützung aus Israel für die RSF. So wurde die RSF bereits früh mit israelischer Spionagetechnik ausgestattet. Auch erhält RSF propagandistische Unterstützung aus Israel: Staatsnahe Medien und Think Tanks stellen die RSF als “säkulare” Kraft gegen “Islamisten” und “Muslimbrüder” im Sudan dar. RSF-Milizen wurden ebenfalls mit israelischen Waffen gesichtet. Russland 🇷🇺 unterstützte RSF ebenfalls lange und profitierte von Sudans Bodenschätzen, soll seit spätestens 2025 aber die sudanesische Regierung berovzugen. Es gibt auch Söldner aus Kolumbien 🇨🇴 in den Reihen der RSF, die unter anderem über einen von den Vereinigten Arabischen Emiraten betriebenen Militäflughafen im somalischen Puntland in den Sudan gelangen sollen. Den UAE und Israel geht es vor allem um Einfluss im Roten Meer. Auch um den Einfluss regionaler Rivalen zu verringern.
Sudans Armee und Staat auf der anderen Seite werden von Ägypten 🇪🇬, der Türkei 🇹🇷, Saudi-Arabien 🇸🇦 und Katar 🇶🇦 unterstützt.
Heißt das alles, Krieg bis zum Ende?
Nein, es gab bereits mehrmals Verhandlungen zwischen Sudans Armee und der RSF. Dadurch kam es auch zwischenzeitlich zu Waffenruhe. Im Oktober 2025 gab es einen Deal in Saudi-Arabien unter Beteiligung der UAE. Details sind nicht öffentlich. Es gibt ein Interesse in der Region, den Sudan zu stabilisieren und den Krieg zu beenden. Als einzig relevanter Unterstützer der RSF werden die Emirate keine Konfrontation mit dem Rest der Region riskieren. Bereits jetzt ist der Imageschaden für die Emirate zu enorm. Es scheint, als ginge es allen Seiten darum, aktuell eine bestmögliche Verhandlungsposition zu erzwingen. Das gibt – inmitten des Leids – etwas Hoffnung auf baldigen Frieden.
Wie man helfen kann:
Vor allem mit Spenden. Die UN warnt, dass Hilfsprogramme für Sudan zu wenig Budget hätten. Hilfsorganisationen, die Zugänge in Sudan haben, können mit mehr Geld das humanitäre Leid effektiver mindern.