“Mein Großvater, der seine Morgenstunden umgeben von den Olivenbäumen begann, die er sorgfältig gepflegt hatte. Seine Keffiyeh lag stolz über seinem Kopf, sein weißes Gewand wehte im warmen Wind, sein Agal saß fest an seinem Platz. Sein wunderschönes Lächeln erhellte sein Gesicht, und seine Geschichten aus der Vergangenheit erfüllten die Luft mit Wärme und Nostalgie. Mein Großvater, der uns beibrachte, wie man Pflanzen gießt, Dünger präzise auslegt und unter den Bäumen sitzt, Tee trinkt und Familiengeschichten lauscht. Er erzählte uns, wie er meine Großmutter kennengelernt hatte und wie er unermüdlich daran gearbeitet hatte, ihr einen Heiratsantrag zu machen und die Zustimmung ihrer Familie zu erhalten. Er liebte sie tief und beharrlich.”
Am Abend des 7. Oktober 2023 fielen plötzlich das Festznetz und das Internet in unserem Haus in Ramallah aus. Ich lebte gerade im Westjordanland zum Studieren, getrennt von meiner Heimat Gaza, nur mit meiner Mutter. Zunächst dachten wir, es handele sich um einen gewöhnlichen Stromausfall. Das Haus war dunkel, und die Kerzen warfen Schatten an die Wände, was unsere Angst noch verstärkte. Wir versuchten wiederholt, das Haus meines Großvaters in Gaza anzurufen, aber niemand nahm ab. Zweifel kamen auf, und mit jedem erfolglosen Verbindungsversuch wuchs unsere Hilflosigkeit.
Ein Schockzustand
Am nächsten Morgen beschlossen wir, die Kinder eines Bekannten in der Straße am Telefon zu bitten, nachzusehen, was passiert war. Sie rannten los, während unsere Herzen an den Nachrichten hingen, die sie uns bringen würden. Eine Stunde später meldeten sie sich in einem Zustand des Schocks und der Angst und erzählten uns, dass das Haus vollständig zerstört war. Alles lag unter den Trümmern begraben. Wir sprachen über Videotelefonie. Ihre Gesichter waren blass, ihre Augen voller Tränen, unfähig, das Gesehene in Worte zu fassen.
Live am Telefon
Zunächst hofften wir, dass alle das Haus verlassen hatten. Aber die Nachbarn bestätigten, dass mein Großvater, meine Großmutter und mein Onkel nie weggegangen waren. Inmitten der Trümmer miaute die Katze meines Onkels, „Loco“, mit einem traurigen und ängstlichen Ton, fast wie das Weinen eines Kindes, das uns das Herz brach. Einer der Jungen folgte dem Geräusch und entdeckte, was unter den Trümmern verborgen war: Der Leichnam meines Onkels.
Die Katze wusste, wo sein Körper lag, als würde sie uns zu der Tragödie führen, die wir nicht wahrhaben wollten.
Die verzweifelte Suche in den Trümmern
Die Jungen begannen verzweifelt in den Trümmern zu suchen, hoben mit bloßen Händen Steine und Trümmer beiseite und ignorierten die Gefahr, die sie umgab. Bald fanden sie eine Hand, die unter den Trümmern hervorschaute. Mit klopfenden Herzen griffen sie danach, in der Hoffnung, dass sie meinem Großvater gehörte. Vielleicht lebte er noch. Doch schnell kam die schreckliche Wahrheit ans Licht: Die Hand gehörte ihrem Vater, Ramadan. Es war ein unerträglicher Anblick, und Tränen liefen ihnen über die Wangen, als sie versuchten, seinen Körper mit einem Stück Stoff zu bedecken. Sie sahen sich mit Augen voller Verleugnung an und versuchten, der harten Realität zu entfliehen, aber sie hatten keine andere Wahl, als die unerträgliche Wahrheit zu akzeptieren.
Doppelte Angst
Aber mein Großvater und meine Großmutter waren noch nicht gefunden worden. Wir waren gerade in Ramallah im Westjordanland und lebten in doppelter Angst angesichts des brutalen israelischen Angriffs auf Gaza. Ein erschreckender Anruf von Ramadans Sohn erreichte uns, in dem er uns mitteilte, dass die Bombardierung so heftig gewesen sei, dass meine Großeltern möglicherweise unter Trümmerbergen begraben seien.
Wir konnten nicht aufhören, uns verschiedene Szenarien auszumalen: Hatten mein Großvater und meine Großmutter es geschafft, rechtzeitig mit medizinischer Hilfe evakuiert zu werden? Irrte mein Großvater auf der Suche nach Schutz oder Wasser durch die zerstörten Straßen? Versuchte meine bettlägerige Großmutter verzweifelt zu überleben, schaffte es aber nicht?
Unendliche Szenarien
Wanderte mein Großvater, schwach und erschöpft, ziellos umher und fragte sich, wo seine Frau und sein Zuhause waren? Vielleicht fragte er Passanten nach dem Weg, an den er sich selbst nicht mehr erinnern konnte. Oder lag auch er unter den Trümmern, sein Körper versteckt zwischen den Ruinen? Vielleicht war er während der Explosion im Haus gewesen und konnte nicht entkommen. Wir stellten uns vor, wie sein Körper kalt unter den Trümmern lag und darauf wartete, gefunden zu werden.
Befand sich mein Großvater an einem dunklen Ort, verängstigt und allein, ohne zu wissen, wie er uns erreichen konnte? Vielleicht versteckte er sich in einer Ecke und versuchte, sich zu erinnern und einen Weg zu finden, um zu überleben, aber die Zeit und die harten Ereignisse hatten dies unmöglich gemacht.
Diese Ungewissheit erschütterte unsere Herzen und vertiefte unsere Qualen. Hoffnung und Verzweiflung kämpften in uns wie tosende Wellen, während wir an der Möglichkeit festhielten, meinen Großvater und meine Großmutter lebend zu finden, und gleichzeitig die bittere Wahrheit fürchteten, die die kommenden Tage vielleicht offenbaren würden.
Meine Tante und meine Mutter berechen zusammen
Meine Tante und meine Mutter, die aufgrund der schwierigen israelischen Einreisebedingungen für Gaza seit Jahren das Haus meines Großvaters nicht mehr gesehen hatten, waren völlig am Boden zerstört. Meine Mutter weinte ununterbrochen und wiederholte: „Warum haben sie nicht evakuiert? Was hast du dir dabei gedacht, Hussein? Warum hast du sie nicht mitgenommen?“ Meine Tante versuchte, sie zu trösten, aber ihre Worte verloren inmitten des Chaos und des Schmerzes ihre Bedeutung. Schreckliche Szenarien spielten sich in unseren Köpfen ab. Wussten sie, dass sie bombardiert werden würden? Hatte mein Onkel Hussein beschlossen, auf jeden Fall bei meinem Großvater und meiner Großmutter zu bleiben? Hatten sie einen Krankenwagen gerufen, der aber nicht rechtzeitig kam? Die Fragen häuften sich und nährten unser Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung.
Verzweifelte Hilferufe
Meine Tante rief die Rettungskräfte in Gaza an und bat sie inständig, nach den Körpern meines Großvaters und meiner Großmutter zu suchen, aber die Antwort war kalt: „Die Lebenden sind wichtiger als die Toten.“ Diese Worte trafen sie mitten ins Herz. Viele Menschen waren noch unter den Trümmern begraben, und diejenigen, die noch lebten, mussten Vorrang haben. Meine Mutter konnte nicht warten. „Die Toten zu begraben ist eine Pflicht“, sagte sie entschlossen. „Ich brauche die Nummer von jemandem, der einen Bagger hat.“
Sie kontaktierte einen jungen Mann in Gaza, der einen Bager besaß, aber er sagte, das Gebiet sei eine „rote Zone“ und man benötige die Genehmigung der Rettungskräfte.
Wessen Verantwortung?
Die Rettungskräfte erklärten: „Es liegt nicht in unserer Verantwortung, wenn die Leichen bei der Bergung beschädigt werden. Sie müssen warten.“
Die Vorstellung zu warten war erschreckend, aber die Situation lag außerhalb unserer Kontrolle. Meine Tante sprach mit dem jungen Mann, damit er mit der Suche beginnen sollte. „Vielleicht leben sie noch“, fragte sie bitter.
Er erklärte sich bereit, am nächsten Tag bei Tagesanbruch zu beginnen, bevor die schweren Bombardements im Gebiet Tel al-Hawa wieder aufgenommen würden.
Wessen Leiche würde als nächstes gefunden werden?
Am nächsten Morgen begann der junge Mann mit der Suche. Kurz darauf kam ein schrecklicher Anruf: „Ich habe die Leiche einer älteren Frau gefunden.“
Schock breitete sich auf dem Gesicht meiner Tante aus. „Er hat Mama gefunden!“ Ihr Gesicht war voller Entsetzen. „Wo ist Papas Leiche?“ Der junge Mann konnte die Suche aufgrund der heftigen Bombardierungen nicht fortsetzen. Die Suche dauerte drei Tage. Es war eine Mischung aus bitterer Erleichterung und überwältigendem Schock. Aber dann folgte die endgültige Informationen: Sie hatten die Leiche meines Großvaters gefunden.
Mein Großvater…
Mein Großvater, der seine Morgenstunden umgeben von den Olivenbäumen begann, die er sorgfältig gepflegt hatte. Seine Keffiyeh lag stolz über seinem Kopf, sein weißes Gewand wehte im warmen Wind, sein Agal saß fest an seinem Platz. Sein wunderschönes Lächeln erhellte sein Gesicht, und seine Geschichten aus der Vergangenheit erfüllten die Luft mit Wärme und Nostalgie.
Mein Großvater, der uns beibrachte, wie man Pflanzen gießt, Dünger präzise auslegt und unter den Bäumen sitzt, Tee trinkt und Familiengeschichten lauscht. Er erzählte uns, wie er meine Großmutter kennengelernt hatte und wie er unermüdlich daran gearbeitet hatte, ihr einen Heiratsantrag zu machen und die Zustimmung ihrer Familie zu erhalten. Er liebte sie tief und beharrlich.
Der anhaltende Albtraum
Jedes Mal, wenn wir uns an ihre Geschichten erinnern, finden wir etwas Hoffnung und Trost, trotz des Schmerzes, der unsere Herzen in Zeiten von Krieg und Konflikt erfüllt.
Aber während wir diesen Albtraum durchleben, wächst unsere Angst. Jeder Anruf löst Wellen der Unruhe aus. Die Medien und die Welt bleiben gegenüber dem Leiden in Gaza gleichgültig.
Wir sehen die Nachrichten und warten: Wird sich die Armee aus Gaza zurückziehen? Wird es einen Waffenstillstand geben? Wird der Krieg ein ganzes Jahr dauern? Wann werde ich meinen Vater und meine Brüder wiedersehen? Ich habe Angst, ihre Stimmen nie wieder zu hören. Diese Gedanken verfolgen mich täglich und belasten mich psychisch.
Der Anruf eines Vaters, voller Angst
Eines Tages rief mich mein Vater an, seine Stimme klang erschöpft und voller Angst, als würde er all seine Kraft aufbringen, um eine schreckliche Szene zu beschreiben: „Heute bin ich von Gaza in die zentrale Region gereist. Wenn man nach Süden will, bringt einen ein Auto zum Kuwaiti-Kreis. Dann läuft man zu Fuß durch das Tal, an dessen Rand Panzer stationiert sind. Du gehst neben ihnen her und hebst die Hände, während Schüsse durch die Luft hallen, um dich davon abzuhalten, einen Fehler zu machen. Mach keine Fotos. Heb nichts auf. Zehn Leichen liegen entlang der Straße – schau nicht hin, vor allem nicht auf die Kinder. Es ist unerträglich. Du erreichst die Brücke bei Karat Hassan, wo Menschen andere kostenlos transportieren, aber die Plätze sind begrenzt. Sobald man ausgestiegen ist, muss man wissen, wohin man geht – man hat keine Zeit zu suchen.“
Seine Worte schlugen ein wie ein Donnerschlag und öffneten die Pforten der Hölle.
Wie geht das Leben unter solchen Bedingungen weiter? Wie bleibt mein Vater angesichts dieses Grauens stark? Jeder Anruf mit ihm verstärkt die Angst in meinem Herzen.
Er versucht immer, mich zu beruhigen, aber er kann die brutale Wahrheit nie verbergen.