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Syrien: Warum denkt niemand an die Kurden?

Von Tarek Baé
01.02.2025
in Debatte
Syrien: Warum denkt niemand an die Kurden?

By Yan Boechat/VOA - Voice of America, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=83344584

Syrien feiert seine Einheit. Doch eine Bevölkerungsgruppe scheint wie vergessen: Die Kurden im Norden Syriens. Sie sind allein zwischen YPG, HTS und Türkei. Itidal-Chefredakteur Tarek Baé über eine schwierige Region.

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch schlägt Alarm: Über 100.000 Binnenflüchtlinge sind im Norden Syriens einer desolaten Versorgungslage ausgesetzt. Auch Ärzte ohne Grenzen äußert „tiefe Sorgen über die Eskalationen im Norden Syriens“.

Was ist passiert? Warum passiert es? Und wie kann es gelöst werden?

Die älteste überlieferte kurdische Ortschaft in Syrien ist interessanterweise nicht im Norden Syriens, sondern bei Damaskus im Süden des Landes. Hayy al-Akrad existiert seit dem 12. Jahrhundert, nachdem Gefolgsleute des kurdischen Sultans Salahuddin sich dort niederließen. Aber auch im Norden Syriens gab es über Jahrhunderte hinweg kurdisches Leben. Der Großteil der heutigen kurdischen Bevölkerung Syriens stammt von kurdischen Flüchtlingen aus der Türkei ab, die ab 1920 im Zuge von Repressionen unter Atatürk nach Syrien kamen. Ihre Bedeutung sieht man übrigens in der religiösen Elite des Landes. Der langjährige Imam der Ummayaden-Moschee in Damaskus, Said Ramadan al-Buti wurde im Dorf Jelika in der Nähe von Cizre in der Türkei geboren, bevor sein Vater vor Atatürk nach Syrien floh. Syriens oberster Mufti zwischen 1964 und 2004, Ahmad Kuftaro entstammt ebenfalls einer kurdischen Familie aus Karma in Mardin im Südosten der Türkei, die jedoch bereits 1878 in das heutige Syrien umsiedelte. Damals gab es zwischen den Provinzen im Osmanischen Reich keine Nationalgrenzen.

1963 kam die Baath-Partei, eine militaristische Bewegung, durch einen Militärputsch an die Macht. In den 1960ern und 1970ern führte die neue Militärdiktatur in Syrien Zwangsumsiedlungen von Kurden durch. Schätzungsweise 120.000 Kurden wurde zudem die syrische Staatsbürgerschaft entzogen. Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen der kurdischen Bevölkerung und dem Assad-Regime, wie etwa 1986, 1992 oder 2004.

Als der syrische Bürgerkrieg ausbrach, nachdem die Assad-Diktatur Proteste gegen die Regierung gewaltsam niederschlug und Ortschaften, in denen es viele Proteste gab, militärisch angriff, zog die syrische Armee ihre Truppen größtenteils aus kurdischen Siedlungsgebieten im Norden Syriens ab. Aus Kalkül: Es sollte ein Machtvakuum hinterlassen werden. Und noch wichtiger: Der Assad-Regierung waren Kurden nicht wichtig. Sicherheitsvakuum und Chaos in kurdischen Regionen sind Assad egal gewesen. 2011 formierte sich direkt zu Beginn des Kriegs die YPG, zunächst vorrangig aus den Kurden Syriens. Nach Selbstbild, Einheiten zur Verteidigung des kurdischen Volkes.

Im Chaos des Krieges und durch ausländische Unterstützung entstanden extremistische Gruppierungen wie Daesh („IS“). Daesh breitete sich vor allem im Osten Syriens durch die offene Grenze zum Irak aus und gefährdete kurdische Siedlungsgebiete im Norden Syriens zunehmend. Mehrmals griff Daesh Orte an, die von der YPG gehalten wurden. Aber auch die Al-Nusra-Front, aus der später HTS, also die heutigen Machthaber Syriens hervorgingen, lieferte sich Schlachten mit der YPG.

2016 entstand der Name „Rojava“ als Bezeichnung für die autonome Verwaltung im Norden Syriens. Zuvor erhielt die YPG internationale Unterstützung, vor allem von den USA. Nicht aber bevor sie ihren Namen wechselte. US-General Raymond Thomas erzählte 2017 auf der Aspen Konferenz, wie er der YPG einen Namenswechsel vorgab. Als sie mit SDF (Syrian Democratic Forces) aufkamen, sagte Thomas: „Ich fand es genial, die Demokratie irgendwo dort unterzubringen“. Mit finanzieller und militärischer Unterstützung aus dem Westen schlossen sich dann auch immer mehr Araber der SDF an. 4-5 Millionen Menschen leben in der Region.

Eines scheint klar: Der Norden Syriens wird keine autonome Region bleiben. Sowohl die dort herrschende SDF/YPG sagt zu, sich im Sinne des neuen syrischen Staates aufzulösen, als auch die neue Regierung in Damaskus plädiert dafür, dass ein einheitlicher Staat ohne Milizen existiert. Die Verhandlungen laufen. SDF/YPG will eine Spezialeinheit in der syrischen Armee sein. Die neue syrische Armee will hingegen alle Organisationen auflösen und die Kämpfer in verschiedenen Einheiten verteilen.

Wie lange es brauchen wird, bis sich alle Milizen auflösen, ist eine offene Frage. Denn nicht nur die SDF/YPG hat bewaffnete Gruppen außerhalb der staatlichen Kontrolle. Im Süden Syriens sind Verbände unter der Befehlsgewalt des Kommandanten Ahmad al-Awda. Ebenfalls im Norden Syriens gibt es Kampfverbände, die unter Kontrolle der türkischen Armee stehen. Beide haben ihre Auflösung ebenfalls bereits angekündigt. Doch erfolgt ist das noch nicht.

Auf Nachfrage betont die neue syrische Regierung im Damaskus, man sei mit allen Akteuren „in einem positiven Dialog“ und niemand wollte „Spaltung oder Konflikte“ zwischen einander.

Doch wie sehen es Kurdinnen und Kurden aus dem Norden Syriens? Wir sprachen mit einigen.

Ahmad, ein Friseur aus Berlin, der aus Amude stammt, hält nur eine Lösung für sinnvoll: “Es muss eine Föderation geben mit Bundesstaaten.“ Dafür nimmt er Deutschland als Vorbild. Syriens neue Regierung erteilte dieser Überlegung in Interviews bereits mehrmals eine Absage. „Das passt nicht zu Syriens Struktur“, so der de facto Machthaber Ahmad al-Sharaa. Das sieht Ahmad aus Berlin anders. „Wir haben 20.000 Menschen verloren. Niemand hat uns geschützt. Nicht Assad, nicht Jolani, niemand. Wem sollen wir jetzt vertrauen?“

Amed aus Derik (Malikiya), zeigt sich hingegen froh über die Entwicklungen. Er flüchtete aus dem Norden Syriens nach Deutschland. In seinem Fall aber: Vor den Machthabern Nordsyriens. „Sie entführen unsere Frauen und benehmen sich wie Diktatoren“, beschwert er sich über die YPG.

Hazar, eine 28-Jährige Mutter aus der Nähe von Hasaka zweifelt an ihrer Zukunft. 2015 kämpfte sie in Reihen der YPG gegen Daesh. Seit sie Mutter geworden ist, hatte sie keine Waffen mehr in der Hand. Hazar weiß nicht, welchen Platz sie unter neuer Verwaltung hätte. „Ich werde Terroristin genannt, weil ich um mein Leben gekämpft habe. Ich habe niemandem etwas getan.“

Letzte Woche wurde bei einem Drohnenangriff, der der türkischen Armee oder mit der Türkei verbündeten syrischen Milizen zugeschrieben wird, der berühmte syrisch-kurdische Comedian Bave Teyar getötet. Der LKW-Fahrer Ibrahim war in der Nähe bei einem Protest neben dem Tishreen-Damm, als es passierte. Er wünscht sich Autonomie. Oder ein eigenes Land namens „Rojava“

Anders sieht es Suzan, Ingenieurin aus Qamishli. Sie will Teil eines einheitlichen Syriens sein. „Der Krieg ist vorbei. Die Revolution ist vorbei Wir haben gewonnen. Alles wird es besser gehen im freien Syrien. Egal ob Kurden, Araber oder Assyrer. Wir sind alle auch Syrer.“

Der Norden Syriens ist der letzte Konfliktort Syriens. Das Ende der Assad-Diktatur in Syrien war international und auch unter Syrern mit Sorgen verbunden. Sorgen vor einer Stimmung der Rache, Sorge um Minderheiten, Sorge vor Extremisten, Sorge vor weiteren Jahren der Instabilität. Die großen Sorgen haben sich nicht bewahrheitet. Vereinzelt gab es Vorfälle von Übergriffen und Respektlosigkeiten gegenüber Minderheiten wie den Alawiten oder Christen, die Regierung verurteilte dies aber. Auch die Angst vor Extremismus bestätigte sich nur in seltenen Fällen und entwickelte sich nicht zu einer Regel. Noch ist es zu früh, um von Erfolg zu sprechen. Aber die anfängliche Erleichterung ist berechtigt.

Im Norden Syriens brodelt es. Nur noch dort gibt es aktuell Bomben und Schüsse. Immer wieder werden zivile Tote gemeldet. Und nur noch dort gibt es aktuell Proteste. Diverser Art. In mehreren Städten zogen die Menschen raus, um gegen Angriffe der türkischen Armee und für die YPG-Verwaltung zu protestieren. In ebenfalls mehreren Städten versammelten sich Menschen, um gegen SDF/YPG zu protestieren und einen Anschluss an das „freie Syrien“ zu fordern. Mehrere dieser Proteste wurden von SDF/YPG-Milizen niedergeschlagen.


Oftmals wird vergessen: Der von SDF/YPG kontrollierte Norden und Osten Syriens wird mehrheitlich von ethnischen Arabern bewohnt. Nur im äußersten Norden gibt es kurdische Bevölkerungsmehrheit.

Es ist ein Dilemma, das von Widersprüchlichkeiten geprägt ist. Eine Präsenz der SDF/YPG wird von der Türkei strikt abgelehnt. Zu verflochten sind die Verbindungen zur PKK, die – wie auch die YPG – von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird. Die Türkei befürchtet, dass die PKK eine autonome Region im Norden Syriens als Basis für Angriffe auf die Türkei nutzt. Die türkische Regierung und die PKK führen aktuell wieder Gespräche über ein Ende des Konfliktes. Der inhaftierte Führer der PKK, Abdullah Öcalan deutete seine Bereitschaft an, die PKK aufzulösen. Devlet Bahceli, der Vorsitzende der völkisch-nationalistischen MHP, Koalitionspartner der regierenden AKP, lud Öcalan ein, vor dem Parlament zu sprechen. In Syrien zeigt sich die türkische Regierung nicht so versöhnlich mit der YPG. Präsident Erdogan setzte ein Ultimatum für alle „nicht-syrischen PKK-Anhänger“, Syrien zu verlassen. Alle syrischen YPG-Kämpfer sollten ihre Waffen niederlegen. Man werde ihre Präsenz „niemals akzeptieren“, so Erdogan. Er drohte mit „Zerstörung“. Der türkische Außenminister Hakan Fidan kündigte an: „Das Reich der Gewalt, das auf der Ausbeutung der edlen Gefühle unserer kurdischen Brüder aufgebaut ist, steht kurz vor dem Zusammenbruch.“

Wenige Tage später empfing Erdogan die neue syrische Regierung. Bestehend aus einem Premierminister, einem Außenminister und einem Verteidigungsminister, die allesamt aus dem Lager der neuen Machthaber HTS stammen. HTS gilt als Nachfolgeorganisation der Nusra-Front – so wie PKK und YPG – in der Türkei als Terrororganisation. Formell nach wie vor. Die Frage also, warum die Türkei einen Einfluss YPG nicht akzeptiert, aber den von HTS, ist stückweit nachvollziehbar. Die Antwort wird wohl sein: HTS sieht die Türkei nicht als Feind. Die Frage bleibt also, wie auch Feindseligkeiten im Norden Syriens beseitigt werden können.

Die Zukunft scheint nur eine Verhandlungsfrage zu sein. Sowohl die syrische Regierung in Damaskus als auch die Verwaltung Nordsyriens sind sich einig: Der Norden Syriens wird ein Teil des neuen Syriens. Der Sicherheitsgarant von SDF im Norden Syriens ist weggefallen. Das waren die USA. Die Trump-Regierung machte bereits klar, dass sie keine größeren Interessen in Syrien mehr verfolgen würde. Er überlasse Syrien Erdogan. „Sie wollten es seit Tausenden von Jahren und er hat es bekommen“, so Trump. Die SDF-Führung versuchte bislang, Zeit zu gewinnen. Doch der internationale Support bleibt aus.

Wie es mit den Kurden in Syrien weitergehen wird, ist unklar. Es scheint ein langer Weg hin zu einer gleichberechtigten syrisch-kurdischen Identität. Zu groß sind die Wunden. Zu nah ist die Zeit des Leids.

Tags: akpAssadErdoganHDPHTSItidalKurdenKurdistanNordsyrienPKKRojavaSDFSyrienTarek BaéTarek BaeTürkeiUSAYPG
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Tarek Baé ist Journalist und Autor aus Berlin. Er widmet sich der Medienarbeit mit Schwerpunkt Rassismus und Islam in Deutschland. Die Frage nach Zugehörigkeit und Teilhabe zieht sich wie ein roter Faden durch seine Publikationen. 2021 begründete er das Medium Itidal, dessen Chefredakteur er ist, als neue Plattform für ungehörte Perspektiven.

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