In einer gemeinsamen Erklärung fordern 77 deutsche Völkerrechtler die Bundesregierung auf, das Völkerrecht konsequent auch gegenüber Israel anzuwenden. Auslöser ist das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom Juli 2024, das die israelische Besatzung als völkerrechtswidrig einstuft. Vor diesem Hintergrund verlangen die Unterzeichner, dass Deutschland keine Waffen an Israel liefern darf – insbesondere welche, die im Gazastreifen eingesetzt werden.
Einer der Initiatoren der Erklärung ist der Göttinger Völkerrechtslehrer Kai Ambos, Richter am Kosovo-Sondertribunal. Zu den Unterzeichnern gehören außerdem mehrere ehemalige hochrangige Richter – z.B. der frühere Bundesverfassungsrichter Andreas Paulus, der ehemalige IGH-Richter Bruno Simma und Kay Hailbronner, zuvor Richter am Mannheimer Verwaltungsgerichtshof.
Auch die mögliche Einladung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu nach Deutschland wird scharf kritisiert. Sollte ihm Immunität zugesichert werden, verstoße das nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen deutsches Recht. Seit 2021 schließt § 20 Abs. 2 Satz 2 GVG funktionelle Immunität für völkerrechtliche Verbrechen ausdrücklich aus. Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Netanyahu müsse unabhängig von politischer Bewertung beachtet werden – ebenso wie im Fall des russischen Präsidenten Putin.
Sorgen äußern die Völkerrechtler zudem über Versuche, die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese an öffentlichen Auftritten an Universitäten zu hindern. Das sei dies ein klarer Verstoß gegen die im Grundgesetz garantierte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Als Mitglied der Vereinten Nationen sei Deutschland verpflichtet, auch die Arbeit UN-mandatierter Sonderbeauftragter zu respektieren. In diesem Zusammenhang unterstützen die Unterzeichnenden die Kritik der European Society of International Law an entsprechenden Einschränkungen.