85 Jahre nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938, einem finsteren Kapitel in der deutschen Geschichte, reflektieren wir über die langanhaltende Geisteshaltung, die letztlich zum Holocaust führte. Diese Nacht, geprägt von Gewalt gegen Juden, Zerstörung von Synagogen und jüdischen Geschäften, war nicht ein isoliertes Ereignis, sondern ein Höhepunkt jahrhundertelanger Judenfeindlichkeit.
Das „jüdisch-christliche Abendland“ und seine Widersprüche
Die heutige Verwendung des Begriffs „jüdisch-christliches Abendland“ erscheint paradox, wenn man bedenkt, dass Juden in Europa über Jahrhunderte hinweg marginalisiert und verfolgt wurden. Nicht einmal ein Jahrhundert nach dem Versuch, einen Teil seiner Bevölkerung auszulöschen, begegnet Europa – und insbesondere Deutschland – der Herausforderung, sich mit der Kontinuität dieser diskriminierenden Geisteshaltung auseinanderzusetzen. Diese richtet sich heute nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen Roma, Muslime und andere Minderheiten. Sie betrifft immer noch auch Juden, und ebenfalls Roma oder Muslime. Juden seien „Fremdkörper”, sie würden das Land „verjuden“ wollen, hörte man damals. Juden sollten sich reformieren, hieß es, sie sollten sich dem vermeintlichen „Deutschsein“ anpassen. Juden müssten ihre „primitive Religion“ ablegen, hörte man zur Reformation und zur Aufklärung, es gebe nur ein „christlich-atheistisches” Abendland. Wiederholt sich diese Sprache großflächig – auch wenn sie andere trifft – geht Europa, aber insbesondere Deutschland seiner Verantwortung nicht nach.
Die Sprache der Diskriminierung
Die Sprache, die Juden einst als „Fremdkörper“ abstempelte und ihre Kultur und Religion als „primitiv“ brandmarkte, findet heute in abgewandelter Form erneut Anwendung. Diese gefährliche Rhetorik, die auch andere Minderheiten betrifft, stellt eine klare Verletzung der Verantwortung Deutschlands dar, die aus dem „Nie wieder“-Versprechen erwächst.
Die Folgen der Pogromnacht
Nach der Pogromnacht, von den Nazis zynisch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet, suchten viele Juden Zuflucht im Ausland, wurden jedoch oft an den Grenzen abgewiesen. Dieses Ereignis markiert eine Hochphase des Rassismus in Deutschland und bleibt eine dauerhafte Schande für das Land.
Deutschlands heutige Verantwortung
Deutschlands Verständnis und Umsetzung seiner historischen Verantwortung steht heute mehr denn je auf dem Prüfstand. Es reicht nicht aus, sich auf populistische Rhetorik zu beschränken. Deutschland muss aktiv dafür sorgen, dass Juden, Roma und alle Minderheiten – einschließlich Muslime, Schwarze und Palästinenser – sich sicher, beheimatet und zugehörig fühlen. Dies ist die wahre Bedeutung von „Nie wieder“, an deren Verwirklichung wir alle mitwirken müssen.