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Home Debatte

Das Problem mit dem Wolfsgruß

Von Tarek Baé
04.07.2024
in Debatte
Das Problem mit dem Wolfsgruß

Nach dem Sieg der Türkei gegen Österreich im EM-Achtelfinale, einem packenden Spiel, zeigt der türkische Torschütze Melih Demiral ein Symbol mit seinen Händen. Es ist der Wolfsgruß, auch Bozkurt-Gruß genannt. In Deutschland, dem Gastgeberland der EM, wird das skandalisiert. Aber auch in verschiedenen Communitys in der Türkei sind die Diskussionen lebhaft.

Bundesagrarminister Cem Özdemir, gemeinhin gern Stichwortgeber für drastischste Angriffe, behauptet: „Seine Botschaft ist rechtsextrem, steht für Terror, Faschismus“. Harte Worte.

Das sehen viele Türkeistämmige anders. Denn man kann argumentieren, dass es zu plump ist, zu sagen, damit müsse automatisch eine rechtsextreme Position einhergehen. Zahlreiche Kommentatoren widersprechen der Darstellung vehement. Der Wolf sei ein harmloses Symbol der „türkischen Mythologie“. So heißt es in einem viralen Sharepic, das auf Instagram vielfach weitergeleitet wird.


Aber zu tun, als wäre das Symbol völlig unpolitisch, ist realitätsfern.

Ja, der Wolf ist ein weitverbreitetes nationales Symbol. Man könnte auch spekulieren, dass der Wolfsgruß in Österreich verboten ist und die Aktion eventuell ein „Protest” dagegen gewesen sein könnte.

Aber ist wirklich der richtige Zeitpunkt zum Philosophieren?

Es muss nämlich verstanden werden: Zwei Tage zuvor sind mehrere Mobs durch Kayseri und andere türkische Städte gezogen, um beliebig Syrer zu anzugreifen und syrische Geschäfte in Brand zu setzen. Und dabei wurde nunmal diese Bozkurt Geste gezeigt. Eine Szene, die häufig vorkommt. Fast immer dann, wenn Flüchtlinge oder Minderheiten in der Türkei gejagt werden, wird diese Schreckensszenerie vom Bozkurt-Zeichen begleitet.

Es ist es mindestens ignorant oder unsensibel, diesen Jubel jetzt zu wählen. Denn es kann wie Zustimmung wirken. Das ist nunmal der aktuelle politische Kontext. Und es ist ein realitätsferner Luxus, wenn man nicht zu den vielen Menschen gehört, die deswegen besorgt sind. Da wirkt der emotionale Aufschrei, die Kritik am Bozkurt-Zeichen wäre Hetze, deplatziert.

Was stört mehr? Dass das Bozkurt-Zeichen kritisiert wird? Oder dass Rassisten Jagd auf Menschen machen, und dabei das Bozkurt-Zeichen mit ihren Händen formen? Warum wird nicht emotional gegen diese Verbrecher aufgestanden? Stattdessen aber gegen jene, die dieses Zeichen sehen und es mit Sorgen verbinden? Nein, nicht jeder, der das Bozkurt-Zeichen macht, trägt diesen Hass in sich. Das wäre absurd zu behaupten. Man kann durchaus darauf hinweisen, was viele Türkeistämmige argumentieren: Für sie bedeutet das in keiner Weise Rechtsextremismus oder Rassismus. Ebenso sollte man auch jenen glauben, die es eben doch damit verbinden. Sie sind häufiger die Schwächeren. Was hier aber in keiner Weise für rassistische Stichwortgeber wie Cem Özdemir gilt.

Aber warum diese Geste für viele meistens ein Hinweis auf Feindseligkeit ist, können nicht nur geflüchtete Syrer, Iraker, Palästinenser oder Afghanen erklären, sondern auch die kurdische oder alevitische Minderheit in der Türkei. Es ist schließlich auch der Jahrestag des Brandanschlags in Sivas, bei dem 35 Menschen, größtenteils Aleviten, getötet wurden. Auch wieder unter Bozkurt-Zeichen. Ist das nicht auch Geschichte, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt?

Der Bozkurt-Gruß ist eben nicht ein historischer Gruß des türkischen Volkes. Er fand erst in den 70ern große Verbreitung. Durch die Graue Wölfe Bewegung im Kalten Krieg. Die Osmanen liefen nicht mit Bozkurt-Gruß durch den Balkan. Die Seldschuken ebenso wenig durch den Irak. Es gibt kein seriöses historisches Fundament für die Darstellung, der Wolfsgruß sei untrennbar von der türkischen Identität. Das Türkischste überhaupt ist wahrscheinlich die Vielfalt der türkischen Bevölkerung. Türken sind ein Mischvolk. Der Kemalismus mag der modernen türkischen Identität dieses Bewusstseins beraubt haben, aber wir sprechen doch gerade über Historie, oder?

Wo der Wolf herkommt? Laut türkischer Mythologie wurden die Vorfahren der Oghuz-Türken einst in einer großen Schlacht fast vollständig ausgelöscht. Ein kleiner Junge überlebte schwer verletzt. Eine graue Wölfin namens Asena fand ihn, heilte seine Wunden und nahm ihn bei sich auf. Die Wölfin gebar später zehn halbwölfische Söhne. Einer dieser Söhne wurde zum Anführer und gründete einen Stamm, aus dem später die Oghuz-Türken hervorgingen.

Wie immer gilt zu Mythologie: Das ist Volksglauben, oder eine märchenhafte Anekdote. Es ist natürlich nicht reale Historie. Es gibt keine Halbmenschen oder Halbwölfe. Das heißt nicht, dass der Wolf nicht ein berechtigtes kulturelles Erbe für viele Türken sein kann. Nur nicht als Götze, der nicht hinterfragt werden darf.

Ich habe den Wolfsgruß nie als etwas harmloses empfunden. Immer wenn ich ihn persönlich sah, war er mit Rassismus und Abgrenzung verbunden. Meistens gegenüber Kurden. Ich erinnere mich an Tage, an denen sich Türkeistämmige, zumindest die religiösen, einig waren, dass ein solches Symbol nichts mit ihnen zu tun haben darf. Wir erleben weltweit aber ein Aufbegehren des plumpen Nationalismus. Hoffentlich verdrängt er nicht weiter das echte Geschichtsbewusstsein. Gerade in Sachen Vielfalt, Respekt und Verständigung hat die türkische Geschichte da doch eigentlich viel mehr zu bieten.

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Tarek Baé

Tarek Baé

Tarek Baé ist Journalist und Autor aus Berlin. Er widmet sich der Medienarbeit mit Schwerpunkt Rassismus und Islam in Deutschland. Die Frage nach Zugehörigkeit und Teilhabe zieht sich wie ein roter Faden durch seine Publikationen. 2021 begründete er das Medium Itidal, dessen Chefredakteur er ist, als neue Plattform für ungehörte Perspektiven.

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