Der frühere Leiter des Mossad, der israelischen Auslandsgeheimdienst, Yossi Cohen, soll laut Enthüllungen der britischen Zeitschrift Guardian in einer Reihe geheimer Treffen die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Fatou Bensouda, bedroht haben. Ziel war es, sie davon abzubringen, eine Untersuchung wegen Kriegsverbrechen in den besetzten palästinensischen Gebieten einzuleiten.
Die Kontakte zwischen Cohen und Bensouda fanden in den Jahren vor ihrer Entscheidung, eine formelle Untersuchung zu eröffnen, statt. Diese Untersuchung begann 2021 und führte letzte Woche dazu, dass Bensoudas Nachfolger, Karim Khan, Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant beantragte. Dies geschah im Zusammenhang mit der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen.
Cohens Aktivitäten wurden auf höchster Ebene genehmigt und sollten verhindern, dass israelische Militärangehörige strafrechtlich verfolgt werden. Laut einem israelischen Beamten sollte Cohen Bensouda kompromittieren oder zur Kooperation bewegen. Eine Quelle bezeichnete Cohens Verhalten als „verabscheuungswürdig“ und verglich es mit „Stalking“.
Während seiner Kampagne überwachte der Mossad auch Bensoudas Familie und beschaffte heimlich aufgenommene Gespräche ihres Ehemanns. Diese Informationen sollten genutzt werden, um Bensouda zu diskreditieren.
Die Enthüllungen sind Teil einer Untersuchung, die der Guardian zusammen mit dem israelisch-palästinensischen Mazazin +972 Magazine und Local Call durchführt. Der Mossad führte nahezu ein Jahrzehnt lang eine verdeckte „Kampagne“ gegen den IStGH. Israelische Regierungsvertreter bestritten die Vorwürfe als „falsch und unbegründet“.
Cohen soll Unterstützung vom ehemaligen Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Joseph Kabila, erhalten haben. Dies geschah im Rahmen einer koordinierten Anstrengung der Regierungen von Netanjahu und des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, um Druck auf Bensouda auszuüben.
Cohens Verhalten eskalierte zwischen 2019 und 2021, als er Bensouda mehrfach persönlich traf und zunehmend bedrohlich wurde. Letztlich eröffnete Bensouda Ende 2019 eine vollständige Untersuchung, die ihr Nachfolger Karim Khan nach den jüngsten Angriffen der Hamas und der darauf folgenden israelischen Offensive in Gaza wieder aufgriff und Haftbefehle beantragte.