Unser großer Wahlcheck zum Thema Gaza für die Europawahl 2024 ist da! Wir haben kandidierenden Parteien die selben Fragen zu ihren Positionen rund um Gaza und Palästina gestellt sowie ihre Wahlprogramme, Wahlplakate und Parteiauftritte ausgewertet.
Zu den Punkten gehören:
Fordert die Partei eine sofortige Waffenruhe?
Fordert die Partei ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen nach Israel?
Fordert die Partei eine Anerkennung Palästinas als Staat?
Fordert die Partei Sanktionen gegen Israel?
Erwähnt das Parteiprogramm Gaza?
Unterstützt die Partei die Proteste der Studierenden?
Disclaimer:
- Das ist keine Wahlempfehlung. In diesem Wahlcheck wurden ausschließlich Positionen rund um Israels Krieg gegen Gaza, den Genozid und die Rechte von Palästinensern beachtet. Positionen zu anderen relevanten Themen rund um Gesellschaft, Recht, Wirtschaft, Finanzen, Rüstung etc. sollten von Wählerinnen und Wählern separat miteinbezogen werden.
- Einige der Fragen werden von Politikerinnen und Politikern innerhalb der SPD, der Linken und dem BSW bejaht, nicht aber von der Partei selbst. So haben 20 Bundestagsabgeordnete der SPD bereits im Januar zu einer Waffenruhe aufgerufen, was von der Parteiführung aber nicht mitgetragen wurde. Wir weisen darauf hin, ordnen die Parteien aber trotzdem entsprechend ihrer Parteiführung ein.
- Einige Kleinstparteien, die extreme Nischen bedienen oder keine Aussicht haben, über 0,2 % zu kommen, haben wir aus Gründen der Übersicht ausgelassen.
- Große Parteien wie die Grünen, die CDU und die AfD haben die Fragen nicht beantwortet. Auch einige kleine Parteien nutzten die Möglichkeit, die Fragen zu beantworten, nicht. Es wurden nur ihre öffentlichen Positionen ausgewertet.
Unter der Einschätzung folgen die Grafiken mit den Positionen der Parteien
Einschätzung des Itidal-Chefredakteurs Tarek Baé:
Es gibt drei Parteien, deren Antworten zu Gaza auffallen: Mera25, Dava und BIG. Es handelt sich um drei Kleinparteien, die allesamt um eine Wählerschaft werben, die sich von anderen Parteien nicht vertreten sehen. Bei dieser Wählergruppe ist die Konkurrenz durch das Bündnis Sahra Wageknecht (BSW) am größten. BSW tritt jedoch nicht so offensiv mit dem Thema Gaza auf, wie es Mera25, Dava und BIG tun. Zur Einordnung ist wichtig, dass sich eine Fokussierung auf Gaza im Wahlkampf gut nutzen lässt, um herauszustechen. Es wird also nicht die Glaubwürdigkeit bewertet, sondern lediglich, was Parteien öffentlich für Positionen beziehen. Bei der Europawahl gibt es keine 5 % Hürde. Bei der letzten Europawahl im Jahr 2019 genügten 0,6 % für einen deutschen Sitz im Europaparlament. Wählen kann man ab 16 Jahren.
Bei Mera25 (ungef. Übersetzung aus dem Griechischen: Europäische realistische Ungehorsamfront) handelt es sich um den jungen Ableger einer europäischen linken Bewegung, angeführt vom ehem. griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Auch der inhaftierte Journalist Julian Assange ist Mitglied. Die Partei versteht sich als Stimme für Rechtsstaatlichkeit, Antirassismus und Anti-Imperialismus. Mera25 widmet sich auf sozialen Medien an Wählerinnen und Wähler, die sich von etablierten linken Parteien nicht vertreten fühlen. Spitzenkandidatin ist die Berlinerin Karin De Rigo. Von den 10 Kandidierenden haben 3 griechischen Namen. Wir schätzen, dass Mera25 aufgrund der Unzufriedenheit linksorientierter Wähler und aufgrund ihrer geringeren Bekanntheit zwischen 0,4 und 1,3 % erhält und damit eventuell einen Sitz im Europaparlament erhalten könnte.
Bei Dava (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch) handelt es sich um eine neue Partei, die sich primär an Deutsche mit sog. Migrationshintergrund wendet, insbesondere an Türkeistämmige. Dava wird eine Nähe zur türkischen Regierungspartei AKP vorgeworfen, was Dava selbst jedoch zurückweist. 10 der 11 Kandidierenden der Dava haben türkische Namen. In türkischen Medien wird vermehrt für Dava geworben. Dava richtet sich im Wahlkampf an Wählerinnen und Wähler, die sich von etablierten Parteien übergangen sehen. Spitzenkandidat ist der Anwalt Fatih Zingal. Wir schätzen, dass Dava aufgrund des Medienrummels um die Partei und einer großen Anzahl von Protestwählern zwischen 0,3 und 1,2 % erhalten wird und somit eventuell mit einem Kandidierenden ins Europaparlament einziehen könnte.
Bei BIG (Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit) handelt es sich ebenfalls um eine Partei, die sich primär an Deutsche mit sog. Migrationshintergrund richtet. Sie existiert jedoch bereits seit 2010. Auch ihr wurde vorgeworfen, ein Ableger der AKP zu sein, was BIG von sich weist. Spitzenkandidat ist Haluk Yildiz, der aktuell für die Partei Stadtverordneter in Frankfurt am Main ist. In der Liste der 23 Kandidierenden lassen sich 10 verschiedene Migrationshintergründe finden. 14 Kandidierende haben türkische Namen. Wir schätzen, dass BIG aufgrund einiger Protestwähler und aufgrund der Konkurrenz durch Dava zwischen 0,1 und 0,5 % landet und somit eventuell keinen Sitz im EU-Parlament erhält.
Nur sechs Parteien fordern eine sofortige Waffenruhe.
Die anderen Parteien haben eine sofortige Waffenruhe entweder gar nicht oder nicht mehrheitlich/öffentlich verkündet. Korrektur: Die Partei dieBasis forderte ebenfalls mit “Waffenstillstand jetzt” eine sofortige Waffenruhe.
Sechs Parteien fordern ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen nach Israel. Bei BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) ergibt sich das aus Äußerungen von Sahra Wageknecht, eine offizielle Position der Partei ließ sich nicht erschließen. Bei dieBasis gibt es keine öffentliche Positionierung, die Partei teilte uns diese Forderung aber in der Beantwortung unserer Fragen mit. So wie auch die Linke ist damit eine generelle Ablehnung von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete gemeint.
Nachdem die EU-Länder Irland, Spanien und Norwegen ihre Anerkennung Palästinas als Staat ankündigten, stellt sich die Frage, welche Partei Palästina als Vertretung Deutschlands im Europäischen Parlament auch anerkennen will. Das sind lediglich drei Parteien, die dieses Vorhaben deutlich mit Ja beantworten. Die Linke hat diese Position in der Vergangenheit als erstes bezogen, stellt diese Forderung aktuell aber nicht auf.
Die UN-Sonderermittlerin Francesca Albanese nennt Israels Verbrechen in Gaza einen Genozid. Der Internationale Gerichtshof hat bereits drei mal Sofortmaßnahmen im Genozid-Verfahren gegen Israel angewendet. Nur drei Parteien schließen sich klar diesem Vorwurf an.
Nur vier Parteien fordern auf Nachfrage durch Itidal Sanktionen gegen Israel.
Die Proteste von Studierenden an deutschen Universitäten und das brutale Vorgehen der Behörden gegen die Studierenden sorgten für viel Aufsehen und Aufruhr. Nur zwei Parteien stellten sich geschlossen hinter die Studierenden.
Nur drei Parteien erwähnen Gaza überhaupt in ihren Wahlprogrammen.