Liebe deutsche Medienhäuser,
es hat mehr als 11 Monate gedauert bis ihr euch überwindet, auch nur den Hauch einer Forderung an Israel zu stellen. Nach mindestens 113 von Israel getöteten Journalisten, die das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zählt. Ihr erwähnt eure getöteten Kollegen nicht einmal.
Wäre eure Forderung seriös, ginge sie mit dem nötigen Rückgrat einher, den Adressaten korrekt zu benennen. Ihr fordert von Israel und Ägypten (!), dass Presse nach Gaza kann? Was hat Ägypten in der Forderung zu suchen? Option 1 ist: Ihr wisst auch jetzt noch so eklatant wenig über Gaza, wie dass Ägypten überhaupt nicht darüber entscheiden kann. Weil Israel Ägyptens Grenze zu Gaza besetzt und weil Israel bereits zum Anfang des Überfalls auf Gaza deutlich gedroht hat, dass jeder nicht von Israel genehmigte Grenzübertritt, sei es ein Mensch oder eine humanitäre Hilfslieferung, bombardiert werden kann. Option 2 ist: Ihr wisst das, zumindest teilweise, und schreibt es trotzdem. Weil ihr nach wie vor nicht fähig seid, Israel allein zu benennen.
Lassen wir kurz beiseite, dass aus euren Reihen 11 Monate lang teils massive Fake News verbreitet wurden oder durch unkritische Übernahme von israelischer Propaganda das Bild über Gaza in der deutschen Öffentlichkeit extrem verzerrt wurde. Das wohl problematischste am kollektiven Versagen waren aber die Herabsetzen und Kriminalisierung palästinensischer Journalistinnen und Journalisten vor Ort, die unter ständiger Lebensgefahr Informationen aus Gaza teilten und verifizierten. Ihr könnt jetzt in diesem Moment diese Menschen, die eindrucksvoll ihre beispiellose Kompetenz bewiesen haben, engagieren. Auch ohne Genehmigung von Israel. Dafür müsstet ihr in Palästinensern aber Presse genug, und nicht zuletzt Mensch genug, sehen.
Israels Regime bekämpft gezielt Presse in Gaza und im illegal besetzten Westjordanland. Israel lässt deshalb keine Presse nach Gaza, um israelische Verbrechen nicht beweisen zu lassen. Vielleicht erfordert es nach wie vor für viele unter euch zu viel Solidarität und Überzeugung vom Beruf, das deutlich zu benennen. Aber denkt nicht, ihr hättet jetzt irgendetwas Echtes gesagt.