Nach Recherchen des schwedischen Mediums Aftonbladet und weiteren Medien. Ein Bericht über Gewalt, Erniedrigung und das Kalkül, Kritiker mundtot zu machen. Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg schildert ein Protokoll des Brechens von Menschen.
Die Nacht beginnt mit einem Ritual der Unterwerfung. Nach der Stürmung der Global Sumud Flottilla werden die Aktivisten zu Boden gezwungen, auf die Knie, Stirn zum Asphalt. Greta Thunberg wird abseits geschleift, „ein besonderer Platz für eine besondere Dame“, sagt sie. Dann folgt die Choreografie, die sich durch die nächsten Stunden ziehen wird: „Sie warfen mir eine israelische Flagge über und sobald sie mich berührte, traten sie mir in die Seite.“ Wer aufblickt, bekommt Tritte. Reihen von Menschen knien, Hände auf dem Rücken gefesselt, die Hitze brennt.
Die Botschaft ist klar: entwürdigen, demoralisieren, brechen. Ein Beamter zerrt an ihren Armen, Kabelbinder schneiden ins Fleisch. „Sie haben mich geschlagen.” Wachleute stellen sich auf, um Selfies mit der Gefesselten zu machen. Später wird ihre rote Tasche zurückgegeben – verschmiert mit „Hure Greta“ und obszöner Zeichnung. Dazu ein Davidstern, Nationalsymbol Israels, und eine Schleife, die für “Geiseln” steht. Israels Entführungsapparat entlarvt sich selbst.
Im Minutentakt wechseln die Formen der Zermürbung. Eine Erinnerung an den Hang des Regimes zu Sexualstraftaten. Nacktkontrollen mit laufenden Kameras. „Sie filmten mich nackt.” Ein Putzraum wird zur Bühne: Auf den Knien, Scheinwerfer an, Drohgebärden, Parolen, die sie als Feind markieren. Draußen gleißt die Sonne auf Drahtkäfige. Kaum Platz zum Sitzen, Stunden werden zu Tagen. Trinkwasser? Über Tage keins. Wärter spazieren mit vollen Flaschen vor den Gittern, halten sie hoch, kippen sie in Mülltonnen. Ohnmacht, Erbrechen, ausgetrocknete Münder. Und immer wieder die Drohung: „Sie brüllten: ‘Wir werden euch vergasen!’” Dazu das Zeigen von Zylindern. Ein offenes Bekenntnis des israelischen Regimes zu NS-Deutschland.
Die Zellen sind überfüllt, stickig, die Luft riecht nach Chemie. In einer Isolationszelle laufen Insekten über die Haut; Stunden ohne Zeitgefühl. Nachts rütteln Hände an Gittern, Taschenlampen brennen in Gesichter, Kommandos zwingen zum Aufstehen, wieder hinsetzen, wieder aufstehen – bis der Körper aufgibt und der Wille knirscht. Medikamente wie Insulin, Herz- und Krebspräparate werden vor den Augen der Betroffenen entsorgt. Wer Hilfe braucht, erhält Härte.
Zwischen all dem blitzen Momente von Menschlichkeit. Und werden bestraft. Als eine Frau in der Reihe der Gefangenen Greta zuflüstert „Wir sind bei dir“, greift die Eskalation sofort: „Wer mir von der anderen Gefangenen Mut zusprach wurde zur Seite gezerrt und misshandelt.” Solidarität soll zum Risiko werden, zum Anlass neuer Schläge.
An einer Wand ein riesiges Bild eines zerbombten Gaza, daneben die Nationalflagge. Menschenverachtung als Deko. Auf den Zellenwänden: Einschusslöcher, getrocknete Blutspuren, eingeritzte Botschaften früherer Verschleppter. Hier geschieht keine spontane Grenzüberschreitung, hier wird System sichtbar: ein durchgetakteter Apparat, der Kritikerinnen und Kritiker nicht nur entführt und einsperrt, sondern sie gezielt erniedrigt.
Greta Thunberg setzt ihre Erlebnisse in einen größeren Rahmen. Sie will keine Headlines nur über sich, sagt sie; die fünf Tage sollen sichtbar machen, was hinter Türen passiert, wenn die Kameras weg sind. Ihr Gedanke ist so schlicht wie vernichtend: Wenn eine weltweit bekannte, weiße Schwedin so behandelt wird, was geschieht mit Palästinenserinnen und Palästinensern, deren Namen niemand kennt?
Diese fünf Tage sind mehr als ein Haftprotokoll. Sie zeigen eine politische Praxis, die Hilfe kriminalisiert und Empathie bestraft. Sie erzählen davon, wie Israels Staat Macht versteht: als Lizenz zur Menschenverachtung. Und sie enden nicht mit der Entlassung, sondern mit dem, was im Körper bleibt: Ausschläge, Erschöpfung, die Erinnerung an grelles Licht und braunes Wasser aus einem Toilettenbecken.
Greta Thunberg sagt, sie habe in dieser Zeit gelernt, wie professionell Menschen gebrochen werden können. Und wie brüchig dieses System wird, wenn einer leise „Halt durch“ sagt. Dass selbst diese leise Geste geahndet wird, ist das vielleicht klarste Zeugnis dessen, worum es geht: Solidarität soll verstummen.
Unter den gefolterten Aktivisten waren auch deutsche Staatsbürger, wie etwa die Menschenrechtsaktivistin Yasemin Acar oder die Bloggerin Judith Scheytt. Greta Thunbergs Schilderungen decken sich mit den Schilderungen anderer Aktivisten. „Sie alle, auch die Politiker, haben versucht uns wie Insekten zu behandeln. Sie haben Greta gefoltert. Sie ist doch nur ein Kind. Sie haben sie kriechen lassen, sie haben sie gezwungen die israelische Flagge zu küssen“, berichtet der Journalist Ersin Celik, der ebenfalls als Teil der Global Sumud Flotilla verschleppt wurde. Laut dem britischen Guardian und schwedischen Diplomatenkreisen sei Thunberg „in einer mit Bettwanzen befallenen Zelle festgehalten“ worden. Sie habe „nur unregelmäßig Zugang zu Wasser und Nahrung“ gehabt und leide an „Hautausschlägen und Erschöpfung“. Der französische Arzt Denis Langlois, der ebenfalls an Bord der Flottille war, sprach gegenüber der Hindustan Times von „gezieltem Schlafentzug“ und „dauerhafter Beleuchtung der Zellen“. In weiteren Berichten heißt es, Aktivisten seien gezwungen worden, „mit gefesselten Händen zu knien“ und „Posen mit israelischen Fahnen“ einzunehmen. Das Onlineportal Omni zitierte Thunbergs Anwalt, der von „unzureichender medizinischer Versorgung und psychischem Druck“ sprach.
Israels Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir bestätigt die Schilderungen der Aktivisten: “Als ich heute Morgen die Berichte in den internationalen Medien über die Haftbedingungen von Greta Thunberg und den ‘Aktivisten’ sah, möchte ich ganz klar sagen: Ich bin stolz auf die Mitarbeiter des Strafvollzugs und die Kämpfer, die gemäß den Richtlinien gehandelt haben, die Kommissar Kobi Jacoby und ich vereinbart haben”, so der Regierungsvertreter auf seinem Facebook-Profil. “Ich bin stolz darauf, dass wir sie wie Terroristen behandelt haben”, erklärt Ben-Gvir. Wer so offen Gewalt und Folter zugeben kann, der weiß, dass er damit davonkommt. Die ausbleibenden Reaktionen in Deutschland zeigen: Das menschenverachtende israelische Regime hat mit dieser Annahme recht.