Im September 2024 veröffentlichte die BILD‑Zeitung ein angebliches „geheimes Kriegspapier“ der Hamas unter dem Titel: „BILD exklusiv: Zum Schaudern! Das plant der Hamas‑Chef mit den Geiseln: Jetzt wird das geheime Kriegspapier des Terror‑Bosses enthüllt“. Geschrieben von Paul Ronzheimer und Filip Piatov, suggerierte der Text, Verhandlungen über eine Waffenruhe seien reines psychologisches Täuschungsmanöver, eine “psychologische Kriegsführung”, wie es im Text heißt, eine Strategie, mit der Hamas Israel spalten wolle. Doch wie sich später, stammten die Dokumente nicht von Yahya Sinwar, dem inszwischen getöteten Hamas‑Chef, sondern waren gezielte Fake News aus Netanyahus Umfeld; wie nun auch die New York Times feststellt.
Netanyahu ließ die Dokumente hat fälschen, um anschließend darauf zu verweisen und die Verhandlungen bewusst scheitern zu lassen. Der israelische Geheimdienst Shin Bet gab ausgewählte Teile des verfälschten Textes gezielt weiter – koordiniert mit der Regierung.
Das israelische Militär erklärte im September 2024, das von BILD zitierte Papier stamme nicht von Sinwar, sondern von einem rangniederen Beamten und sei bereits mehrere Monate alt. Dennoch wurde im Text alles weggelassen, was auch nur in die Nähe eines ernsthaften Waffenruheangebots rückte. Das Bild soll klar sein: Nur Israels Krieg mache Sinn. Und wer Waffenruhe will, diene der Hamas.
In Deutschland griffen zahlreiche Medien unkritisch die Erzählung der “psychologischen Kriegsführung” auf. Das ZDF vermeldete, „Israel beschuldigt Hamas, [Waffenruhe‑]Gespräche mit einer Kampagne der psychologischen Kriegsführung zu unterminieren“, ohne die Herkunft des Materials infrage zu stellen. Die Jüdische Allgemeine schrieb gar, „die Terrororganisation Hamas […] setzt das Werkzeug der psychologischen Kriegsführung regelmäßig seit dem 7. Oktober ein“. Auch die FAZ, der RND und viele Agenturdienste übernahmen den Text kritiklos. Obwohl die Hamas – auch laut des echten Papiers – tatsächlich für eine Waffenruhe plädierte. Im Gegensatz zu Netanyahu.
International wurde der Vorgang scharf kritisiert. Die New York Times sprach von „gezielter Desinformation zur Kriegsverlängerung“, Le Monde bezeichnete ihn als „Manipulationsskandal, der von israelischen Regierungsstellen gesteuert wurde“ .
Eli Feldstein, Netanjahus Pressesprecher ohne Sicherheitsfreigabe, soll das Papier an BILD weitergeleitet haben. Er wurde festgenommen, ebenso mehrere IDF‑Offiziere, die an der Übergabe beteiligt gewesen sein sollen. Die Anklage wirft ihnen vor, Geheimdokumente zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und zum Bruch der Waffenruhegespräche verwendet zu haben. Netanjahu selbst wies eine direkte Verwicklung zurück, doch sein Umfeld und die politische Sprache folgten exakt der durch den Leak vorgegebenen Linie: Wer eine Waffenruhe fordert, unterstütze in Wahrheit die Hamas.
Die ehemalige Fatah‑Kommunikationsberaterin Lina Al‑Khatib sagt dazu: „Diese Fälschungen sind strategisch, sie dienen nur einem Ziel: Der globalen Legitimation für Kriegsverbrechen an der Bevölkerung im Gazastreifen.“
Das Vorgehen hatte massive Folgen. In Israel wurde der Druck auf Netanyahu geringer. Skeptiker einer Waffenruhe wurden als „Helfer der Hamas“ gebrandmarkt. International sank der politische Druck auf Tel Aviv, den Genozid zu beenden. Menschenrechtsorganisationen warnen seither: Solche Täuschungsmanöver unterminieren jede Grundlage für Verhandlungen und schützen weiter Zivilisten nicht.
Deutsche Medien halfen aktiv dabei mit, dass Netanyahu Israels Genozid in Gaza fortsetzen kann. Durch Verbreitung von Propaganda, die jede Grundlage für Verhandlungen angriff.
Insgesamt fügt sich der Fall nahtlos in ein größeres Muster medialer Manipulation: Die Gaza‑Kriegsberichterstattung ist geprägt von einer Welle an Desinformationen, in der Regierungen, Medien und Einflussgruppen künstlich Narrative formen. Den Preis zahlen schutzlose Zivilisten in Gaza. Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Damit machen sich deutsche Medien potenziell mitschuldig an einem Genozid.