Schweigen Medien und Politik über ein mutmaßlich antimuslimisches Motiv eines aktuellen Mordfalls? In Arnum bei Hannover wurde die 26-jährige Krankenschwester Rahma A. brutal von ihrem Nachbarn ermordet. Zuvor habe es laut Angehörigen islamfeindliche und rassistische Aussagen des Tatverdächtigen gegeben. Die Staatsanwaltschaft Hannover erklärt auf unsere Rückfrage, dass sie keine Erkenntnisse über antimuslimisches Motiv hätte. Sie wüsste lediglich von einem Streit zwischen Opfer und Tatverdächtigem. Die Eltern des Opfers sagen: Rahma hätte ihnen vor zwei Monaten von antimuslimischen Äußerungen des Nachbarn berichtet. Ihre Zeugenaussagen wurden aber noch nicht von den Behörden aufgenommen. Deutsche Medien erwähnen all das nicht. Auch die Bundesregierung schweigt.
Am 4. Juli wurde die 26-jährige Rahma A. In Hemmingen-Arnum ermordet. Mutmaßlich tatverdächtig ist ihr Nachbar, der ihr mehrere Male in den Körper, unter anderem in ihr Herz, gestochen haben soll. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Viele Medien berichten vom Mordfall. Ein mutmaßlich antimuslimischer Hintergrund findet keine Erwähnung. Seit mehreren Tagen sind die Aussagen von Familienangehörigen bekannt. Wir haben recherchiert. Eine Umfeldbefragung würde noch andauern, so Staatsanwaltschaft. Tatsächlich wurden die Zeugenaussagen der Eltern des Opfers noch nicht dienstlich aufgenommen. Das müsse, so Staatsanwaltschaft, über die Rechtshilfe der deutschen Vertretung in Algerien erfolgen. Das könnte “noch Monate” dauern, heißt es. Angehörige zeigen sich irritiert. „Wir alle haben gehört, dass er Rahma zuvor wegen ihres Kopftuchs beschimpft hat. Das wissen hier alle“, so eine Familienfreundin.
Rahmas Mutter bestätigte in einem Gespräch, dass ihre Tochter ihr vor zwei Monaten gesagt hätte, dass sie von ihrem Nachbarn wegen ihrer arabischen Herkunft und ihres Kopftuchs belästigt würde. Rahma hätte Bedenken geäußert, er könnte ihr etwas tun. Auch der Vater Rahmas gibt an an, dass das Motiv hinter dem Mord an seiner Tochter ihr arabisches Aussehen und das Tragen eines Kopftuchs sei.
“Horrortat” titelt BILD, kein Wort zum möglichen antimuslimischen oder rassistischen Motiv. Auch dpa und Süddeutsche denken in eine andere Richtung: “War es ein Femizid?”. T-Online erwähnt, dass “im Netz” über ein islamfeindliches Motiv “diskutiert” werde, zitiert im selben Bericht über die Kundgebung aber keine Angehörigen und die Vorwürfe bezüglich der antimuslimischen Vorfälle im Vorfeld. Warum wurde nicht recherhiert? Beziehen Medien ihre Informationen nur noch aus Mitteilungen der Behörden? Es ist nicht nur ein Medienversagen, es ist auch ein Politikversagen.
Selbst die Regierung Algeriens äußert sich über den Mord an der Deutsch-Algerierin Rahma. Algeriens Staatssekretär für im Ausland lebende Staatsbürger bezeichnete den Mord als ein „abscheuliches Verbrechen“ und forderte Deutschland auf, besseren Schutz zu gewährleisten. In Hannover und Arnum wurden Mahnwachen und Gebete organisiert – auch mit Beteiligung des algerischen Botschafters. Von der Bundesregierung gibt es keinen einzigen Kommentar. Auch zur Trauerbekundung kam von der Regierung niemand.
Die Staatsanwaltschaft Hannover erklärt auf unsere Rückfrage, dass sie keine Erkenntnisse über ein antimuslimisches Motiv hätte. Sie wüsste lediglich von einem Streit.
Konsequenzen gibt es bislang keine. Auch 10 Tage nach dem Mord dominiert Desinteresse. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittle auf Hochtouren, heißt es auf unsere Nachfrage. „In alle Richtungen“, auch zu den antimuslimischen Aussagen, heißt es auf Rückfrage.